Christian’s erstes Mal in Frankreich
Zugegeben, aus Sicht eines (Karpfen)anglers wohne ich wie die Made im Speck; das nächste Gewässer ist nur 50m von meiner Wohnung entfernt und im Umkreis von wenigen Kilometern sind einige hundert Hektar beangelbarer Wasserfläche mit sehr schönen Fischen. In meinem Bericht soll es aber nicht um die Gewässerperlen Ostwestfalens gehen, sondern um zwei furchtlose Recken, die sich aufgemacht haben, die Karpfen jenseits des Rheins zu beangeln. Das in einem Land, wo eine Sprache gesprochen wird, die wir beide weder sprechen noch verstehen können. Aber egal, die Franzosen sind doch Fremdsprachen und den Deutschen im Allgemeinen gegenüber sehr aufgeschlossen.
Wie bereits erwähnt, wohne ich relativ gewässernah und so ist eine gewisse Karpfenanglerdichte in der Nachbarschaft nicht verwunderlich. Raffael wohnt zwar in der Nachbarwohnung, aber gemeinsam Angeln waren wir bis dato nicht. Nichtsdestotrotz verabredeten wir uns für eine mehrtägige Angeltour, die im Herbst 2012 stattfinden sollte. Wir einigten uns schnell auf das Ziel Frankreich, obwohl wir beide dort noch nie geangelt haben und beide (und ganz besonders ich) keinen Plan von der französischen Sprache haben. Zunächst machten wir unsere Hausaufgaben und recherchierten im Internet. Relativ schnell kristallisierte sich ein Ziel heraus: Die Seen um Langres. Dicke Fische, relativ schnell zu erreichen und waren da nicht die Traumfänge Paschmanns, Nollert und weiteren bekannten Anglern? Dass die Sache einen Haken hat, zeichnete sich schon beim Studieren der aktuellen Threads bei Karpfen-Spezial.de ab. Die Idee, die Seen im Herbst beangeln zu wollen, scheint vielen Karpfenanglern in den Sinn gekommen zu sein, und neben dem hohen Angeldruck bestand auch noch die Gefahr des Angelverbotes aufgrund der niedrigen Pegelstände. Kurzerhand schrieb ich eine E-mail an das zuständige Fischereidepartment. Mithilfe des GoogleÜbersetzers konnte ich meinen Text in eine Art Französisch und die Antwort in eine Art Deutsch übersetzen.
Lest am besten selbst:
„Für die Sünde, müssen Sie nehmen ein Angeltag oder ein Fischerdorf für die Woche oder des Jahres WENN Sie nachts sündigen wollen, gibt es eine Nacht natürlich die stromabwärts der Brücke auf dem rechten Ufer Queuzon entfernt.“
Soll heißen: Es gibt Tages-, Wochen- und Jahreskarten und die Nachtangelzone ist stromabwärts der Brücke. Zur Sicherheit suchten wir noch einige Ausweichgewässer in benachbarten Departments heraus, um nicht wertvolle Angelzeit durch eine tagelange Platzsuche zu verschwenden. Hierbei kann ich diese Internetseite sehr empfehlen: http://www.powercarp.com/nuits.php
In Kürze sah unsere Taktik wie folgt aus:
Abfahrt 23:30 Uhr, Ankunft am ersten See zur Morgendämmerung. Wenn noch Plätze in der Nachtangelzone frei sind, werden die Erlaubniskarten gekauft. Falls der Angeldruck an den Gewässern zu groß erscheint, wird durchgestartet zum ersten Ausweichgewässer. Als wir in Langres ankamen, erfuhren wir, dass ein Stausee bereits gesperrt wurde und an den anderen drei Seen die Nachtangelzonen völlig überlaufen seien. Nach einem herzhaften Frühstück bei Lidl ging es weiter und wir fuhren weiter zu einer Kartenausgabenstelle eines anderen Departments. Diese Ausgabestelle lag in einem kleinen Dorf und war Kneipe, Restaurant, Post und Supermarkt in einem und das auf einer Fläche von nur 100m². Die Kommunikation klappte mit zahlreichen Wortbrocken unterschiedlichster europäischer Sprachen (hauptsächlich Englisch), unterstützt von ein wenig Körpersprache erstaunlich gut und wir hielten nach wenigen Minuten unsere Erlaubnisscheine in den Händen. Unsere favorisierte Nachtangelzone war nur wenige Kilometer weit entfernt und zu unserer Überraschung waren dort gar keine Angler anzutreffen. Wasser aber auch nicht, weil die Nachtangelzone im Herbst an eine hübsche Wiese mit einem knöcheltiefen Rinnsal in der Mitte grenzt. Die andere Nachtangelzone stimmte uns dagegen fröhlicher, weil sich diese als menschenleer, aber dennoch wasserreich präsentierte. Rasch wurde unser Lager errichtet und die Ruten an den interessant erscheinenden Plätzen ausgelegt; das alte Flussbett, ein Einlauf, ein Bereich mit alten Baumstümpfen, die Uferkante usw. Nach einem kleinen Schlummersnack legten wir uns auf die Liegen. In der Nacht öffneten sich sämtliche Himmelspforten und der Regen wurde in den nächsten Tagen nur kurzzeitig von Schönwetterperioden unterbrochen. Aber spätestens beim Auslegen der Ruten setzte er wieder ein. In den Morgenstunden der ersten Nacht wurde ich durch einen Fullrun geweckt und ein feister Schuppi ließ sich meinen Fischboilie schmecken.
Auch in der nächsten Nacht gab es Aktion und eine Brasse und eine Karausche konnten gelandet werden. Raffael hatte bis dahin keinen Piepser, obwohl alle möglichen Köder und Futtertaktiken durchprobiert wurden. Weite Teile der Nachtangelzone schienen derzeit einfach nicht ergiebig zu sein. Er befischte die nächsten Tage den Bereich um eine alte Brücke, der auch von den lokalen Raubfischanglern gerne befischt wurde. Diese waren aber durchweg nett und kollegial. Sie hielten Abstand von unseren Montagen und man hielt, soweit es die sprachlichen Mittel hergaben, Smalltalk. Nachdem die dritte Nacht völlig ohne einen Pieps der Bissanzeiger verstrichen war, gaben wir dem See noch 24 Stunden, um uns von einem weiteren Verbleiben zu überzeugen. Wenn nicht, dann sollte es an ein Ausweichgewässer weiter westlich gehen. Es kam, wie es kommen musste und kurz vor Ablauf der 24 Stunden knatterte meine Rollenbremse und nach kurzem Kontakt hing der Fisch in einem Hindernis fest. Ich drückte Raffael die Rute in die Hände und wir steuerten mit dem Schlauchboot auf das Hindernis zu. Raffeal drillte, ich pulte die Stücke eines alten Baumstumpfes aus der Schnur und dann gab es einen Ruck. Der Fisch hatte sich aus dem Hindernis gelöst und lies sich keschern. Beim Blick in den Kescher konnten wir unsere Jubelschreie nicht unterdrücken und wir waren uns einig, einen ganz besonderen Fisch gefangen zu haben. Mit 11 Kilo war dies zwar kein Rekordfisch, aber aufgrund des Schuppenmusters eine absolute Augenweide. Das Schöne war auch, dass es sich um einen Teamfisch handelt, der nur durch das harmonische Zusammenspiel gelandet werden konnte. Wir wechselten uns beim Posieren und Photographieren ab und konnten uns beide über den Fang freuen. In den letzten beiden Nächten hatten wir noch Bisse, die aber leider nicht verwertet werden konnten.
Als Fazit sehe ich den Trip weder als absoluten Reinfall, noch als Erfolg auf ganzer Linie. Raffael und ich haben sehr gut harmoniert und das ist das entscheidende bei einer längeren Angeltour. Die besten Resultate hatten wir mit einfachen, aber bewährten Montagen, die mit nahrhaften Ködern bestückt wurden. Pop Ups und Fertigboilies sollte man zwar mitnehmen, aber Bisse konnten wir darauf nicht verzeichnen. Der von uns befischte See hat weder einen dichten Karpfenbestand, noch wurde von dort jemals ein großer Fische gemeldet. Dafür wurden wir mit einer einzigartigen Natur und einer heilen „Anglerwelt“ entschädigt. Raubfisch- und Karpfenangler haben dort noch eine friedliche Co-Existenz, wo man sich respektiert und hilft.
Für mich steht fest: Ich komme wieder!
Christian Klatt
(600)